Wer ist der Messias im Koran?
- kesfetmekursu
- 14. Apr.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 13. Juni

Bisher haben wir nur sehr allgemein vom 'Messias' gesprochen, aber einige Überlegungen zum jüdischen Verständnis angestellt. Nun ist es an der Zeit, diesen Begriff mit seiner koranischen Bedeutung zu füllen: Wer ist der Messias im Koran?
Mit Erstaunen haben wir im Zusammenhang mit Nisa 4:153-167 festgestellt, dass:
- Muhammad in einem Streitgespräch mit Juden seine eigene Sendung mit einer Diskussion über die Messianität Jesu verteidigt;
- in diesem Streitgespräch die Jungfrauengeburt Jesu (V. 156), seine Abberufung von der Erde (V. 157) und seine Erhöhung zu Gott (V. 158) zur Sprache kommen. Während die Juden in diesen Themen Gründe gegen die Messianität Jesu sehen, verteidigt der Koran diesen Anspruch gerade in diesen drei Bereichen.
- Sowohl in Nisa 4:159 als auch in Al-i Imran 3:55; 60-64 wird der Glaube an Jesus als Grundvoraussetzung für Gläubige definiert. Anhänger Muhammads und Christen müssen aufgrund von 3:42-64, Juden aufgrund von Nisa 4:156-159 absolut zwingend an die Jungfrauengeburt, die Abberufung Jesu von der Erde und seine Erhöhung zu Gott glauben. Jesus wird im Jüngsten Gericht als Zeuge gegen die Leute der Schrift hinsichtlich ihres Messiasglaubens auftreten (4:159) und Gott wird die Menschheit hinsichtlich ihrer Differenzen zu den drei messiasbestimmenden Themen richten (3:55).
Die Frage, was genau der Koran unter 'Messias' versteht, ist also 'heilsnotwendig', das heisst, sie wird u.a. die Grundlage dafür liefern, wonach Gott die Menschheit richten wird.
Wer ist der Messias im Koran?
Der Begriff 'Messias' wurde zunächst durch die jüdische Auslegung der Tora und Weiterentwicklungen in der zwischentestamentlichen Literatur geprägt. Später wurde der Begriff von den Christen in den Evangelien als auf Jesus zutreffend umgedeutet und erweitert. Auch im Koran wird 'Messias' ausschließlich für Jesus verwendet (Al-i Imran 3:45; Nisa 4:157; 171; 172; Maide 5:17; 72; 75; Tevbe 9:30; 31). Kein anderer Prophet erhält diesen Titel, nur Jesus wird damit ausgezeichnet. Es stellt sich nun die Frage, wie dieser Begriff im Koran verstanden wird und inwiefern er sich von jüdischen und christlichen Vorstellungen unterscheidet.
Was mich bei meinen Nachforschungen zu diesem Begriff am meisten erstaunte, war die Tatsache, dass trotz seiner offensichtlichen Zentralität im Koran seine Bedeutung von den muslimischen Auslegern weitgehend vernachlässigt wird1: Aus dem arabischen Wort (مسيح) werden die Bedeutungen '(mit der Hand) reiben', 'die Hand auf etwas legen, um seine Größe zu verstehen', '(mit Öl oder Wasser) salben', 'abwischen', 'reinigen', 'aus ebnen', 'lügen' und 'viel reisen' abgeleitet. Nach den Überlieferungen islamischer Quellen erhielt Hz. Jesus diesen Namen, weil er viel reiste, Kranke durch Berührung heilte, mit Öl gesalbt geboren wurde, Gabriel ihn bei der Geburt mit seinem Flügel berührte, um ihn vor dämonischer Besessenheit zu schützen, oder weil er ein schönes Gesicht hatte.’2 Einige Ausleger weisen auf einen möglichen aramäisch, hebräischen Ursprung des Wortes hin. Deshalb wird in muslimischen Interpretationen häufig die jüdische und christliche Bedeutung des Begriffs ausführlich diskutiert. Wenn es jedoch um die koranische Bedeutung geht, begnügen sich manche Ausleger mit der wenig befriedigenden Bemerkung, dass Messias im Koran anders verstanden werden müsse als von Christen und Juden - der Begriff selbst bleibt dabei aber unerklärt.3 Viele Ausleger sind der Meinung, dass es sich nicht wie bei Juden und Christen um einen erwarteten Erlöser handelt, sondern dass Messias im Koran lediglich als (unbedeutender) Beiname für Jesus verwendet wird.4 Generell lässt sich feststellen, dass unter muslimischen Auslegern Uneinigkeit darüber herrscht, was Messias im Zusammenhang mit Jesus zu bedeuten hat.5 Schliesslich gibt es auch noch einige islamische Gelehrten, die den Begriff „Messias“ im Koran in ähnlicher Weise wie im Christentum interpretieren.6
Diese Verunsicherung unter Gelehrten deutet darauf hin, dass der Begriff im Koran als bekannt vorausgesetzt wird und deshalb nirgends im Text eine klare Definition gegeben wird. Aufgrund der Tatsache, dass der Koran die jüdische Kritik an der Messianität Jesu so entschieden zurückweist und die christliche Identifikation Jesu als Messias mit sehr ähnlichen Argumenten wie im Evangelium verteidigt (Jungfrauengeburt statt außerehelicher Zeugung (Nisa 4:157), selbst der Kreuzestod stellt die Messianität Jesu nicht in Frage, weil Gott ihn zu sich erhebt (Nisa 4:157f.)), ist davon auszugehen, dass sich das koranische Verständnis sehr wohl am christlichen und wohl auch am jüdischen orientiert. Es wäre hilfreich zur Unterstützung dieser These im Koran klarere Aussagen zu finden.

Gegenüber den Juden warnt der Koran: ‚Unter den Schriftbesitzern gibt es keinen, der nicht vor seinem Tod an ihn glaubt und erkennt, daß er Gottes Gesandter [eben der Messias (siehe v. 157)] ist. Am Jüngsten Tag wird er als Zeuge erscheinen und die Wahrheit über sie aussagen.' (Nisa 4:159). Aus diesem Vers geht hervor, dass die Juden Jesus zu seinen Lebzeiten als Messias akzeptieren müssen und dass sich beim Jüngsten Gericht herausstellen wird, ob sie in dieser Hinsicht richtig geglaubt haben oder nicht. Auch in Al-i Imran 3:55 wird darauf hingewiesen, dass Gott die unterschiedlichen Auffassungen von Christen, Muslimen und allen anderen Menschen über den Messias Jesus erst im Jüngsten Gericht auflösen wird: '… Dann (aber) werdet ihr (alle [d.h. die Nachfolger von Jesus (ttebe’ûke) und die Unglaeubigen (keferû)]) zu mir zurückkehren [d.h. zum Letzten Gericht]. Und ich werde zwischen euch entscheiden über das, worüber ihr (im Erdenleben) uneins waret.' Es wäre also äußerst spannend, einen Einblick in das Jüngste Gericht zu bekommen, um zu erfahren, was genau in Bezug auf Jesus als Messias geglaubt werden muss.
Messias in Maide 5:109-120
Wir sind in der glücklichen Lage, genau einen solchen Einblick im Qur'an zu finden: In Sure 5:109-120 lesen wir, wie Gott Jesus beim Letzten Gericht7 vor der versammelten Prophetenschar vorstellen wird:
"Am Tag (des Gerichts), da Allah die Gesandten (die er zu den einzelnen Völkern und Gemeinschaften geschickt hat, bei sich) versammelt und er dann sagt: ""Was wurde euch (auf eure Botschaft) geantwortet? (Habt ihr Gehör gefunden?)"" Sie sagen: ""Wir haben (von uns aus) kein Wissen (darüber). Du (allein) bist es, der über die verborgenen Dinge Bescheid weiß.""" "(Damals) als Allah sagte [besser: Wenn Allah sagen wird (nämlich beim Letzten Gericht): (Rasoul)]: ""Jesus, Sohn der Maria! Gedenke meiner Gnade, die ich dir und deiner Mutter erwiesen habe, (damals) als ich dich mit dem heiligen Geist stärkte, so daß du (schon als Kind) in der Wiege (mahd) zu den Leuten sprachst, und (auch später) als Erwachsener, und (damals) als ich dich die Schrift, die Weisheit, die Thora und das Evangelium lehrte, und (damals) als du mit meiner Erlaubnis aus Lehm etwas schufst, was so aussah wie Vögel, und in sie hineinbliesest, so daß sie mit meiner Erlaubnis (schließlich wirkliche) Vögel waren, und (als du) mit meiner Erlaubnis Blinde und Aussätzige heiltest, und als du mit meiner Erlaubnis Tote (aus dem Grab wieder) herauskommen ließest, und (damals) als ich die Kinder Israel von dir zurückhielt (so daß sie dir nichts anhaben konnten), als du mit den klaren Beweisen (baiyinaat) zu ihnen kamst, worauf diejenigen von ihnen, die ungläubig waren, sagten: ""Das ist ganz offensichtlich Zauberei.""" "Und (damals) als ich den Jüngern eingab: ""Glaubt an mich und an meinen Gesandten!"" Sie sagten: ""Wir glauben. Bezeuge, daß wir (dir) ergeben (muslimuun) sind!""" "(Damals) als die Jünger sagten: ""Jesus, Sohn der Maria! Kann dein Herr uns (wohl) einen Tisch (mit Speisen) (maa§ida) vom Himmel herabsenden?"" Er sagte: ""Fürchtet Allah, wenn (anders) ihr gläubig seid (und verlangt keine besonderen Wunderzeichen)!""" "Sie sagten: ""Wir möchten von ihm essen und ganz sicher sein und Gewißheit (darbür) haben, daß du uns die Wahrheit gesagt hast, und (wir möchten) über ihn Zeuge sein.""" "Jesus, der Sohn der Maria, sagte: ""Du Allah, unser Herr (allaahumma rabbanaa)! Sende uns vom Himmel einen Tisch herab, der (mit seinem Mahl) für uns von jetzt an bis in alle Zukunft eine Feier (`ied) und ein Zeichen von dir sein wird! Und beschere uns (Gutes)! Du kannst am besten bescheren.""" "Allah sagte: ""Ich will ihn euch (nunmehr) hinabsenden. Und wenn einer von euch nachträglich nicht glaubt, werde ich ihn (dereinst) auf eine Weise bestrafen, wie (sonst) niemand in der Welt (al-`aalamuun).""" "Und (dann), wenn Allah sagt: ""Jesus, Sohn der Maria! Hast du (etwa) zu den Leuten gesagt: ""Nehmt euch außer Allah mich und meine Mutter zu Göttern""? ""Er sagt: ""Gepriesen seist du! (wie dürfte man dir andere Wesen als Götter beigesellen!) Ich darf nichts sagen, wozu ich kein Recht habe. Wenn ich es (tatsächlich doch) gesagt hätte, wüßtest du es (ohnehin und brauchtest mich nicht zu fragen). Du weißt Bescheid über das, was ich (an Gedanken) in mir hege. Aber ich weiß über das, was du in dir hegst, nicht Bescheid. Du (allein) bist es, der über die verborgenen Dinge Bescheid weiß." "Ich habe ihnen nur gesagt, was du mir befohlen hast (nämlich): ""Dienet Allah, meinem und eurem Herrn!"" Und ich war Zeuge über sie, solange ich unter ihnen weilte. Nachdem du mich abberufen hattest, warst du es, der auf sie aufpaßte. Du bist über alles Zeuge." [Rasoul:] "Wenn Du sie bestrafst, sind sie Deine Diener, und wenn Du ihnen verzeihst, bist Du wahrlich der Allmächtige, der Allweise.""" [Paret:] "Allah sagt: ""Dies ist (jetzt) der Tag, an dem den Wahrhaftigen ihre Wahrhaftigkeit nützt."" lhnen werden Gärten zuteil, in deren Niederungen Bäche fließen, und in denen sie ewig weilen werden. Allah hat (dann) Wohlgefallen an ihnen, und sie an ihm. Das ist das große Glück (al-fauz al-`aziem)."Allah hat die Herrschaft über Himmel und Erde und (alles) was im Himmel und auf Erden ist. Er hat zu allem die Macht.'
Bei diesem Text handelt es sich um einen äusserst spannenden Einblick in eine Szene beim Letzten Gericht (siehe v. 109 und vv. 118-120). Gott selber ist der Sprechende und das Thema ist Jesus. Ausführlich behandelt Allah verschiedene Aspekte aus Jesu Leben und Wirken. Zuhörer dieser Rede sind alle Gesandten Gottes vermutlich zusammen mit ihren Religionsanhängern8. Offenbar handelt es sich hier um die in Al-i Imran 3:55 angekündigte göttliche Korrektur der unterschiedlichen Auffassungen von Anhängern und Ungläubigen über Jesus und die angedrohte Verurteilung der den Messias ablehnenden Juden (Nisa 4:159; Maide 5:110). Es wird unsere Aufgabe sein, herauszufinden, was Allah bei dieser Gelegenheit als richtigen Glauben an Jesus als den Messias definiert und was richtiges Verhalten gegenüber Jesus dem Messias schon während der Erdenzeit beinhaltet.
1 z.B. auf der bekannten Türkischen Koranseite, https://www.kuranmeali.com/, wird kein Link zum Eintrag m-s-h im Nachschlagewerk Worteklärungen zum Koran, Râgıb el-İsfehânî'nin el-Müfredât fî Garîbi'l Kur'ân angegeben, obwohl es diesen Eintrag gibt. Die Bedeutung des Begriffs wird ohne Angabe einer Erklärung einfach offen gelassen.
2 JACQUES WAARDENBURG, "MESÎH", TDV İslâm Ansiklopedisi, https://islamansiklopedisi.org.tr/mesih (15.03.2023).
3 z.B. 'Das Konzept ist im Koran nicht in der Bedeutung des Christentums enthalten, und es wird betont, dass Jesus ein Prophet war, wie diejenigen, die vor ihm kamen.' JACQUES WAARDENBURG, "MESÎH", TDV İslâm Ansiklopedisi, https://islamansiklopedisi.org.tr/mesih (15.03.2023).
4 'Bir kısım İslam âlimleri tarafından Kur'an'daki mesih deyiminin beklenen bir kurtarıcıyı değil, İsa'nın bir lakabını tanımladığına inanılmaktadır' (Wikipedia katılımcıları. Mesih [Internet]. Vikipedi, Özgür Ansiklopedi; 2022 Ağu 13, 16.34 UTC [cited 2023 Mar 15]. Alındığı yer: https://tr.wikipedia.org/w/index.php?title=Mesih&oldid=28304210).'Müslüman dilcilerin çoğu, Kur’an’da on bir yerde ve sadece Hz. Îsâ’nın adı veya lakabı şeklinde geçen mesîhin Arapça bir kökten geldiğini kabul etmekle birlikte kelimenin aslının İbrânîce, Ârâmîce veya Süryânîce olduğunu ileri sürenler de vardır (Zemahşerî, I, 430; Fahreddin er-Râzî, VIII, 49)' (JACQUES WAARDENBURG, "MESÎH", TDV İslâm Ansiklopedisi, https://islamansiklopedisi.org.tr/mesih (15.03.2023)).
5 İslam âlimleri arasında, Mesih kavramı konusunda tam bir fikir birliği yoktur (Wikipedia katılımcıları. Mesih [Internet]. Vikipedi, Özgür Ansiklopedi; 2022 Ağu 13, 16.34 UTC [cited 2023 Mar 15]. Alındığı yer: https://tr.wikipedia.org/w/index.php?title=Mesih&oldid=28304210).
6 Wikipedia katılımcıları. Mesih [Internet]. Vikipedi, Özgür Ansiklopedi; 2022 Ağu 13, 16.34 UTC [cited 2023 Mar 15]. Alındığı yer: https://tr.wikipedia.org/w/index.php?title=Mesih&oldid=28304210.
7 Obwohl die Vergangenheit gebraucht wird, 'da sprach Gott', ist vom Kontext klar, dass es sich um eine Szene beim Letzten Gericht handelt ('… the 'scene [is] taken from the Day of Judgement ...' ((Sayyid Qutb, In the Shade of the Quran, Vol. 4 p. 241). Gott versammelt alle Propheten und gibt ihnen die Möglichkeit für ihre Nachfolger einzustehen. Dies deutet ganz deutlich auf das letzte Gericht hin.
8 Siehe Sayyid Kutb: 'This is an awesome interrogation, on the day when all creatures are gathered, the Supreme Company is present and all humanity is looking on. This is a confrontation, when all humanity is put face to face with the Messengers, and especially the unbelievers who are now arrayed before those Messengers to whom they used to lie. Then the declaration is made that those noble messengers simply preached the Divine faith’ (In the Shadow of the Quran, zu Maide 5:109, s. 1336).

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