Wie reagiert man falsch auf den Kalifen Jesus?
- kesfetmekursu
- 15. Aug.
- 8 Min. Lesezeit

In den letzten Beiträgen beschäftigten wir uns mit Allahs Wahl von Jesus als Fürsprecher beim Jüngsten Gericht (Maide 5:109) und mit Allahs Aufzählung der Gnaden, die Jesus während seines irdischen Dienstes als Gesandter Gottes erwiesen wurden (Maide 5:110). Die beschriebene Szene findet ‘vor Gott’ statt (Maide 5:109). Aus unserer früheren Diskussion über Al-i Imran 3:59 wissen wir, dass Jesus in dieser Position mit Adam zu vergleichen ist: ‘Wahrlich, Jesus ist vor Gott wie Adam, den Gott aus Staub erschuf, als er sprach: "Er sei!" und er war’ (Al-i Imran 3:59; Azhar).
Auf diesem Hintergrund haben wir uns detailliert mit den erwähnten Gnadenerweisen auseinandergesetzt und sind immer wieder zu dem gleichen Schluss gekommen:
- Jesu außerordentliche Empfaengnis und Geburt (‘E-G’) durch Einblasung des Geistes Gottes erinnert an die Zeugung Adams. Die Einblasung von Gottes eigenem Geist bestätigte Adams Rolle als Stellvertreter Gottes in der ersten Schöpfung vor den Engeln und Satan (Bakara 2:30–34). Genauso besteht die Bedeutung des Zeichens, das Jesus und seine Mutter für alle Menschen darstellen (Enbiya 21:91), darin, dass es auf Jesus als den Erstgeborenen der zweiten Schöpfung hindeutet.
- Die Stärkung Jesu durch den Ruhu-l Qudüs sowohl im Baby- als auch im Erwachsenenalter weist auf seinen erhöhten Rang gegenüber allen anderen Menschen und insbesondere gegenüber den anderen Propheten (Bakara 2:87 und 253) und vorallem Adam (Araf 7:22ff.) hin. Im Unterschied zu ihnen hat Jesus sein Kleid der Frömmigkeit nie verloren. Dieses ist besser als die von Gott für die übrige Menschheit bereitgestellte Ersatzkleidung (Araf 7:26). Dank der Stärkung durch den Heiligen Geist hat Jesus die gehorsame Gottergebenheit, d. h. den Islam, perfekt gelebt.
- Kein anderer Gesandter Allahs wurde ähnlich allumfassend mit allen uns bekannten Offenbarungschriften (und vermutlich weit darüber hinaus) belehrt wie Jesus. Ein Vergleich mit der Belehrung Adams durch Allah mit den Namen aller Dinge (Bakara 2:32) liegt nahe. Zusammen mit der Bevollmächtigung mit Gottes eigenem Geist weist diese allumfassende Belehrung so wie damals bei Adam auch jetzt bei Jesus auf seine Stellung als Stellvertreter Allahs in der zweiten Schöpfung hin.
- Die außerordentlichen Wundertaten Jesu in Bereichen, die ausschließlich Allah vorbehalten sind, zeigen, dass er, wie damals Adam bei der Namensgebung aller Dinge (Bakara 2:33f.), in einer Weise stellvertretend für Gott handelt, die allen anderen Gesandten Gottes vorenthalten ist (Bakara 2:87 und 253). Beim Jüngsten Gericht betont Allah vor allen versammelten Gesandten also die Sonderstellung Jesu als Gottes Stellvertreter (Kalifen) in der zweiten Schöpfung.
- Allahs Bewahrung Jesu vor den Angriffen der Kinder Israels deutet darauf hin, dass sich ausschließlich Allahs Plan in Jesu Leben verwirklichte. Entgegen der Prahlerei der Juden (Nisa 4:157) und den Zweifeln Satans (Mt. 4:5–7) hat Allah seinen Messias bewahrt, bis dessen Sterbensstunde gekommen war. Jesus wurde dadurch als Messias Gottes bestätigt.
Alle Gnadenerweise deuten auf dieselbe Wahrheit hin. Jesus wurde bereits zu Lebzeiten als Stellvertreter Allahs (im Sinne von Adam, siehe Al-i Imran 3:59) in der zweiten Schöpfung ausgezeichnet. In Maide 5:109-110 bestätigt Allah seine Wahl Jesu als Stellvertreter in der zweiten Schöpfung vor allen seinen versammelten Gesandten und ihren Glaubensgemeinschaften, indem er an die Gnadenerweise erinnert, die Jesus während seiner Lebenszeit zuteilwurden. Die Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen religiösen Gruppen über die Person Jesu beendet Gott beim Jüngsten Gericht, indem er Jesus als Gottes Kalifen in der zweiten Schöpfung proklamiert (Al-i Imran 3:55).
Der Kalif der zweiten Schöpfung ist der Messias der Christen
Johannes der Täufer (arab. Yahya) hatte die Hauptaufgabe, die Kinder Israels auf die baldige Ankunft des Messias vorzubereiten (Lk 3,1–7; vgl. Jes 40,3–5). Als der Heilige Geist sichtbar herabkam, wusste Johannes, dass Jesus der versprochene Messias war (Joh. 1:29-34). Als Johannes dann aber im Gefängnis dahinvegetierte, kamen ihm Zweifel an der Messianität Jesu. Er sandte deshalb einige seiner Jünger zu Jesus mit der direkten Frage nach dessen Messianität: ‘Da aber Johannes im Gefängnis von den Werken Christi hörte, sandte er seine Jünger und ließ ihn fragen: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?’ (Mt. 11:2-3). Jesus antwortete ihm auf diese Frage mit einem Hinweis auf Jesaja 35:5-61 und 61:12: ‘Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Geht hin und sagt Johannes wieder, was ihr hört und seht: Blinde sehen und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote stehen auf und Armen wird das Evangelium gepredigt; und selig ist, wer sich nicht an mir ärgert’ (Mt. 11:4-5). Es sind dieselben Zeichen, die Johannes den Täufer von der Messianität Jesu überzeugen sollen und die Allah beim Jüngsten Gericht als Gnadenerweise an Jesus aufzählt: Stärkung mit dem Heiligen Geist und die Heilungswunder Jesu.

Aus biblischer Sicht definiert Allah durch die Präsentation in Maide 5:110 den ausschließlich Jesus zugedachten Titel „Messias” folglich klarer: Der Messias ist die von Gott als Stellvertreter in der zweiten Schöpfung gewählte Person. Der biblische Messias entspricht dem Kalifen Gottes im Koran. Leider wird dieser Sachverhalt im Text (Maide 5:109–120) an keiner Stelle direkt ausgesprochen und das Wort „Messias” kommt in diesen Versen nicht vor. Nur durch die Kenntnis des biblischen Berichts wird dieser Zusammenhang verständlich. So wie man den Vergleich zwischen Jesus und Adam aufgrund von Al-i Imran 3:59 in die vorliegende Passage hineinlesen muss – auch dieser Zusammenhang wird im Text nirgends erwähnt – , wird aus christlicher Sicht auch die Identifikation des "Letzten Adams" mit dem Messias nur durch Interpretation deutlich.
Unabhängig davon, ob man diese Identifikation begriffen hat, macht Maide 5:110 die starke Aussage, dass der sorgfältige Beobachter dank der außerordentlichen Gnadengaben, die Jesus gewährt wurden, seine Stellvertreterrolle Allahs bereits durch seinen Dienst auf dieser Erde hätte erkennen können.
Gerichtsbeweise
Gott beschreibt diese auf Jesu Identität in der zweiten Schöpfung hinweisenden prophetischen Handlungen und aufgeführten Gnadenerweise als „klare Beweise“ (arab. baiyinaat; siehe Maide 5:110). ‘... als du mit den klaren Beweisen (baiyinaat) zu ihnen kamst’. Interessant ist die Beobachtung, dass dieser Begriff (baiyinaat) in der späteren muslimischen Rechtssprechung als „allgemeine Bezeichnung für bestimmte Beweismittel, die in der islamischen Rechtsprechung Gewissheit ausdrücken” verwendet wurde. Der Begriff erhielt also die Bedeutung eines „besonders schlüssigen Beweises, der ein Recht oder ein Ereignis beweist, an das Rechtsfolgen geknüpft sind”. Diese Beweise „werden im Allgemeinen in drei Gruppen eingeteilt: Zeugenaussagen, schriftliche Beweise und schlüssige

Vermutungen.“3 In der vorliegenden Situation, in der es um das Jüngste Gericht geht und Jesus bei dieser Gelegenheit gegen die Leute der Schrift Zeugnis ablegen wird (Nisa 4:159), bekommt dieser Begriff eine besondere Relevanz: Jesu Leben auf der Erde, seine ‘E-G’, sein Gestärktsein mit dem Heiligen Geist, seine allumfassende Offenbarungskenntnis und vor allem seine Wunder – worauf sich baiyinaat ausdrücklich bezieht – sind „schlüssige Beweise” für seine Wahl zum Kalifa Gottes in der zweiten Schöpfung. Missachtung seiner von Allah proklamierten Identität zieht Rechtsfolgen für den Übertreter nach sich. Während das Ignorieren dieser Beweise auf der Erde noch nicht bestraft wurde, ändert sich die Situation beim letzten Gericht. Dort wird die Ablehnung Jesu als Kalifen Gottes in der zweiten Schöpfung rechtliche Folgen haben. Damit wird klar, wie Jesus zum Zeugen gegen die Schriftbesitzer und zum Kriterium für die Aufnahme ins Paradies werden kann: Es geht um die Erkenntnis seiner Berufung zum Kalifen Gottes und darum, die richtigen Schlussfolgerungen für das Leben auf Erden zu ziehen. Jesus erfüllt in Maide 5:109 ff. seine Rolle als Ankläger gegen ungläubige Schriftbesitzer beim Jüngsten Gericht (Nisa 4:159).
Wie reagiert man falsch auf den Kalifen Jesus?
Aus dieser Vorstellung Jesu durch Allah ergibt sich die alles entscheidende Frage: Wie hätte man zu Lebzeiten diese Gerichtsbeweise richtig verstehen und folglich richtig auf Jesus, den Stellvertreter Allahs in der zweiten Schöpfung, reagieren sollen?
Im folgenden Abschnitt (Maide 5:111–117) beschreibt Allah anhand der Jünger, wie sich diese Erkenntnis während des Erdenlebens praktisch hätte auswirken sollen.
Zunächst wird jedoch beschrieben, wie man falsch auf den Kalifen Jesus reagiert: ‘und (damals) als ich die Kinder Israel von dir zurückhielt (so daß sie dir nichts anhaben konnten), als du mit den klaren Beweisen (baiyinaat) zu ihnen kamst, worauf diejenigen von ihnen, die ungläubig waren, sagten: ‘Das ist ganz offensichtlich Zauberei.’’ (Maide 5:110 Ende). Die Juden erkennen die Zeichen, deuten sie jedoch falsch und glauben, in Jesus einen Magier oder Zauberer zu erkennen, den es nach dem Gesetz zu töten gilt (5. Mose 18:10–12): ‘dass nicht jemand unter dir gefunden werde, der seinen Sohn oder seine Tochter durchs Feuer gehen lässt oder Wahrsagerei, Hellseherei, geheime Künste oder Zauberei treibt oder Bannungen oder Geisterbeschwörungen oder Zeichendeuterei vornimmt oder die Toten befragt. Denn wer das tut, der ist dem Herrn ein Gräuel, und um solcher Gräuel willen vertreibt der Herr, dein Gott, die Völker vor dir.’4
Gottes Plan, der Menschheit durch Jesus schlüssige Beweise vorzuführen, verwirklichte sich trotz – oder gerade wegen – des menschlichen Widerstands dagegen. Auch wenn sie die Zeichen zu Lebzeiten falsch deuteten, müssen die Kinder Israels spätestens beim Jüngsten Gericht die Wahrheit über Jesus erfahren und die entsprechenden Konsequenzen akzeptieren.
Am Anfang der Schöpfung hat Satan Adam nicht als Gottes Kalifen anerkannt: ‘Allah sagte: ‘Iblies! Was hinderte dich daran, dich vor etwas niederzuwerfen, was ich mit meinen Händen geschaffen habe? Du bist wohl (zu) hochmütig (dazu) und gehörst zu denen, die überheblich sind?’ ‘Iblies sagte: ‘Ich bin besser als er. Mich hast du aus Feuer erschaffen, ihn (nur) aus Lehm.’’ Satan verpasste es, die Wahrheit über Adam zu erkennen, weil er die offensichtlichen Zeichen – die Einblasung von Allahs Geist und das Lehren der Namen aller Dinge – nicht ernst nahm. Hätte er die Bedeutung der Einblasung von Gottes Geist in Adam erkannt, wäre er nicht zu dem falschen Schluss gekommen, dass Adam „(nur) aus Lehm“ erschaffen sei. Angesichts des umfassenden Wissens Adams hätte Satan sich selbst nicht überheblich als „besser“ eingestuft.
Genauso wie Satan wird es beim Jüngsten Gericht vielen Anhängern der Propheten ergehen. Sie werden beim Jüngsten Gericht einsehen müssen, dass sie die Bedeutung der Aussagen in Bakara 2:87 und 253 zum eigenen Schaden übersehen haben. Sie haben die Gnadenerweise Allahs gegenüber Jesus verpasst und es versäumt, ihm als dem Kalifen Gottes in der zweiten Schöpfung Achtung zu zollen. Beim Letzten Gericht ist es zu spät, die Meinung zu ändern.
Wir fassen zusammen: Wie reagiert man falsch auf den Kalifen Jesus? Indem man die „schlüssigen Beweise“, mit denen Allah ihn als Kalifen Allahs in der zweiten Schöpfung bekannt macht, im irdischen Leben übersieht oder falsch interpretiert.
1 ‘Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. 6Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande’ (Jesaja 35:5-6).
2 ‘Der Geist des Herrn hat von mir Besitz ergriffen. Denn der Herr hat mich gesalbt und dadurch bevollmächtigt, den Armen gute Nachricht zu bringen. …’ (Jesaja 61:1 Gute Nachricht Bibel)
3 ALİ BARDAKOĞLU, "BEYYİNE", TDV İslâm Ansiklopedisi, https://islamansiklopedisi.org.tr/beyyine#2-fikih (24.05.2023).
4 Basierend auf 2. Mose 22:17 wurde im Talmud über die Todesstrafe eines Zauberers diskutiert (Sanhedrin 67b): ‘Just as a necromancer and a sorcerer are executed by stoning, so too, a warlock is executed by stoning.’ Wie im Zitat festgelten, kann der Talmud In einigen Fällen, insbesondere wenn die Zauberei als gefährlich oder schädlich für die Gemeinschaft angesehen wird, eine Todesstrafe für Zauberei andeuten, aber diese ist oft von den Umständen und der Interpretation der Texte abhängig. Für Jesus haette die Todesstrafe angewendet werden müssen, weil er mit seinen Wundern die Autoritaet der Rabbiner in Frage stellte: ‘rabbinic authority cannot and must not be compromised by magic. ... unauthorized magic ... must be fought against at all costs. The magical power displayed by Jesus and his followers threatens the authority of the rabbis and their claim to lead the people of Israel. Hence, what is at stake here is the authority of the rabbis versus the authority of Jesus, reasoning—and deciding—among equal partners versus unbridled individual power.
For the rabbis, the keys to the kingdom of heaven have been given to them (through the Torah, which God did not want to remain in heaven but decided to hand over to them); for the Christians, the keys are now in the hands of the new Israel, who have access to God not least through their magical power.’ (P. Schaeffer, Jesus in the Talmud, s. 116).

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