Adam und Jesus im EvangeliuM - Erstgeborene in verschiedenen Schöpfungs-ordnungen
- kesfetmekursu
- 24. Apr. 2023
- 13 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Juli

Im Koran wird Jesus mit Adam verglichen (Al-i Imran 3:59). Diese vergleichende Aussage zwischen den beiden Propheten ist eine zentrale Stelle im Bezug auf das Jesus-Verständnis des Koran. Uns interessiert, ob der Koran in
seiner Jesusdarstellung hauptsächlich ein positives Bild malen will, oder ob Jesus im Koran vorallem als warnendes und korrigierendes Beispiel gegen die von Christen vertretene Auffassung gebraucht wird. Die von mir konsultierten Ausleger kommen auf Grund von den drei Annahmen – (1) die Geburt Jesu wird mit der Erschaffung von Adam verglichen; (2) da ihre Erschaffungsweisen ähnlich sind, müssen auch ihre Naturen gleich sein; (3) Muhammed korrigierte mit dieser Aussage die Jesus-Vorstellungen der Christen aus Nadschran – zum Schluss, dass die Aussage in Al-i Imran 3:59 in die Kategorie warnend und korrigierend fällt. Als Jesusnachfolger frage ich mich, ob es nicht zur oben dargelegten generel akzeptierten auch alternative Auslegungsmöglichkeiten gäbe.
Auch das Evangelium spricht an verschiedenen Stellen über das Verhältnis von Adam und Jesus (z.B. Markus 1:12-13; Matthäus 4:1-11; Lukas 4:1-13; Römer 5:12-19; 1. Korinther 15:20-24; 44-49; Philipper 2:5-11). Die am Austausch mit Muhammed teilnehmenden Christen waren also durchaus mit der Materie vertraut und brachten bereits gewisse Sichtweisen zum Thema mit. Es interessiert uns daher sehr wie Muhammed auf diese bereits vorhandenen Sichtweisen eingeht, was er davon bestätigt, und was er zu korrigieren versucht. Schlussendlich wollen wir folgende Frage beantworten: Hätten die anwesenden Christen die Aussagen von Al-i Imran 3:59 auch wirklich genau so verstehen können wie von den muslimischen Kommentatoren vorausgesetzt wird? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir zunächst herausfinden, welches Vorwissen diese Christen zum Gespräch mit Muhammed auf Grund ihrer Kenntnis des Evangeliums mitbrachten. Beim betrachten der relevanten Texte im Evangelium stellen wir folgende Vergleiche zwischen den beiden Propheten fest:
a) Adams respektive Jesu Antwort auf die Versuchung durch Satan:

Einen ersten Vergleich in der Bibel zwischen Adam und Jesus finden wir in dem Bericht über die Versuchung Jesu (Markus 1:12-13; siehe auch Matthäus 4:1-11; Lukas 4:1-13): 'Und sogleich treibt ihn der Geist in die Wüste. Und er war vierzig Tage in der Wüste und wurde vom Satan versucht. Und er war bei den wilden Tieren, und die Engel dienten ihm.1 (Markus 1:12-13). Der Name Adam kommt nicht vor im Text. Es handelt sich hier um eine feine Anspielung auf Adam. Die Erwähnung von 'wilden Tieren' und 'dienenden Engeln' erinnern an den Garten in dem sich Adam nach seiner Erschaffung aufhielt. Allerdings befindet sich Jesus in der 'Wüste', d.h., der Ort von Jesu Versuchung erinnert zugleich auch an die Vertreibung Adams aus dem Garten und aus der Gegenwart Gottes (1 Mose 3:23-24; Bakara 2:38) und damit an das Versagen von Adam: in der Wüste bei den Tieren, aber in Jesu Fall mit Engeln, die ihm dienen (s. Markus 1:12-13). Gleich wie Adam damals im Garten wird auch Jesus von Satan versucht. Jesu Versuchung dauert ganze vierzig Tage. Jesus wird in drei Gebieten auf die Probe gestellt und die Parallelen zu der Versuchung von Adam, wie im Koran beschrieben, fällt auf: (i) die erste Versuchung betrifft von Gott verbotenes Essen einzunehmen. Adem soll von der Frucht am verbotenen Baum essen (Araf 7:20-21), Jesus soll seinen Hunger mit Steinen, die er gegen Gottes Willen in Brot verwandeln würde, stillen (Mt. 4:3-4; Lk. 4:3-4). (ii) Satan verspricht Adam nach Genuss der verbotenen Frucht ewig im Garten bleiben zu können und 'wie Engel zu werden' (Araf 7:20-21). Jesus wird die Behütung durch Engel versprochen, falls er sich nur nach Satans Wunsch in einer Stuntman Aktion von den Tempelzinnen stürtzen würde (Mt.4:5-7; Lk. 4:9-12). (iii) Schliesslich verspricht Satan sowohl Adam (TaHa 20:120) als auch Jesus (Mt. 4:8-10; Lk. 4:5-8) die Herrschaft über ein ewiges oder riesiges Reich, falls sie sich nur Satans Wünschen unterwerfen würden. Soweit die Parallelen, der grosse Unterschied zwischen den Versuchungen von Adam und Jesus ist ihre respektive Antwort an Satan: Adam lässt sich von Satan verführen und isst von der verbotenen Frucht (TaHa 20:121; Araf 7:22). Im grossen Gegensatz zu Adam widersetzt sich Jesus den Versuchungen Satans indem er ihre Verwerflichkeit durch das Zitieren von Versen aus der Torah aufdeckt.2 Jesus zeigt im Gegensatz zu Adam keine Schwäche, und befiehlt dem Satan schlussendlich, ihn in Ruhe zu lassen (Mt 4:10): ‘Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan!’ Satan verlässt Jesus unverrichteter Dinge (Mt. 4:11): 'Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm'.3 Der vorliegende Vergleich zwischen Adam und Jesus im Evanglium betont Jesu Gehorsam gegenüber Gottes Befehlen und seine Standhaftigkeit gegen Satans Versuchungen, im Gegensatz zu Adam's Übertretung von Gottes Befehl durch Anstiftung von Satan. Der Vergleich kontrastiert den Gehorsam Jesu mit dem Ungehorsam Adams. Während Satan aus der Begegnung mit Adam siegreich hervor geht, muss er sich im Falle der Begegnung mit Jesus vorläufig geschlagen zurück ziehen. Der Vergleich fällt zu Gunsten von Jesus aus.
b) Sowohl Adam als auch Jesus tragen eine Repräsentative Rolle für die Menschheit:

In Römer 5:12-19 vergleicht Paulus Jesus mit Adam im Bezug auf ihre repräsentative Rolle für die Menschheit: weil sich Adam von Satans Versuchung übertölpeln liess, ist der Tod und die Sünde zu allen Menschen gekommen4; im Gegensatz dazu hat Jesus durch seine erfolgreiche Überwindung der Versuchung Satans, Gerechtigkeit und ewiges Leben für alle Menschen zugänglich gemacht:
'12 Deshalb, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und der Tod durch die Sünde, so ist der Tod zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben. … 15 Aber nicht verhält sich’s mit der Gnadengabe wie mit der Sünde. Denn wenn durch die Sünde des Einen die Vielen gestorben sind, um wie viel mehr ist Gottes Gnade und Gabe den Vielen überreich zuteilgeworden in der Gnade des einen Menschen Jesus Christus. 16 Und nicht verhält es sich mit der Gabe wie mit dem, was durch den einen Sünder geschehen ist. Denn das Urteil hat von dem Einen her zur Verdammnis geführt, die Gnade aber hilft aus vielen Sünden zur Gerechtigkeit. 17 Denn wenn wegen der Sünde des Einen der Tod geherrscht hat durch den Einen, um wie viel mehr werden die, welche die Fülle der Gnade und der Gabe der Gerechtigkeit empfangen, herrschen im Leben durch den Einen, Jesus Christus. 18 Wie nun durch die Sünde des Einen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit des Einen für alle Menschen die Rechtfertigung gekommen, die zum Leben führt. 19 Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten.”
Dass es sich bei der Person, die im Vergleich mit Jesus steht, um Adam handelt geht deutlich aus Vers 14 hervor: 'Dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, die nicht gesündigt hatten durch die gleiche Übertretung wie Adam, welcher ist ein Bild dessen, der kommen sollte.' Paulus beansprucht hier für Jesus, was schon für Adam galt: so wie Adam eine repräsentative Rolle für die Menschheit spielte, handelt auch Jesus repräsentativ für die Menschheit. Adam steht für Paulus als Repräsentant für die sündige Menschheit. Durch ihn hielten Sünde und Tod Einzug unter allen Menschen. Jesus räpresentiert Gottes Gnade und Gerechtigkeit. Durch Jesu Gerechtigkeit erreichen Gottes Gnade und Vergebung die Menschen. Auch im vorliegenden Text fällt der Vergleich zwischen den beiden Männern zu Ungunsten von Adam aus. Jesus der Gerechte bringt die göttliche Lösung des von Adam für die Menschheit verursachten Problems: Gehorsam statt Ungehorsam und damit Zurückgewinnung statt dem Verlust der Gerechtigkeit vor Gott.
c) Beide sind Erstsgeborene aber in verschiedenen Schöpfungsordnungen: Adam in der ersten und Jesus in der zweiten Schöpfungsordnung:

In 1. Korinther 15:20-24; 44-49 geht es um den ersten Platz von Adam in der irdischen Schöpfung und von Jesus in der himmlischen Schöpfung:
20 Nun aber ist Christus auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. 21 Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. 22 Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden. 23 Ein jeder aber in der für ihn bestimmten Ordnung: als Erstling Christus; danach die Christus angehören, wenn er kommen wird; 24 danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er vernichtet hat alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt. … 44 Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. 45 Wie geschrieben steht: Der erste Mensch, Adam, »wurde zu einem lebendigen Wesen« (1. Mose 2,7), und der letzte Adam zum Geist, der lebendig macht. 46 Aber nicht der geistliche Leib ist der erste, sondern der natürliche; danach der geistliche. 47 Der erste Mensch ist von der Erde und irdisch; der zweite Mensch ist vom Himmel. 48 Wie der irdische ist, so sind auch die irdischen; und wie der himmlische ist, so sind auch die himmlischen. 49 Und wie wir getragen haben das Bild des irdischen, so werden wir auch tragen das Bild des himmlischen.'
Hier betont Paulus das Wesen und die Rolle von Adam als Ersterschaffener in der 1. Schöpfung: vom Wesen her ist er irdisch (v. 48), und seine Rolle war es den Ungehorsam gegenüber Gott, und den daraus resultierenden Tod, für all Menschen zu wählen (v. 21). Dem gegenüber steht Jesus, diesmal aber nicht in seiner irdischen Existenz, sondern als Erstgeborener in der zweiten Schöpfung (v. 20), das heisst seine Existenz nach seiner Abberufung von der Erde. Jesus wurde als erster Mensch von den Toten auferweckt, und damit ist er die Erstgeburt Gottes in der zweiten Schöpfung, der ewigen Welt. Das Wesen seines Leibes ist daher nicht mehr 'irdisch', sondern 'himmlisch' oder 'geistlich' (aa. 44-49). Als Erstgeborener in der zweiten Schöpfung ist es seine Rolle seinen Nachkommen das ewige Leben bei Gott zu ‘vererben’ (aa.44-45). Noch tragendie Menschen das Bild des irdischen Adams, aber es kommt die Zeit – mit der Auferstehung von den Toten – da werden siedas Bild des himmlischen tragen (v. 49). Der Vergleich zwischen Adam und Jesus im vorliegenden Text bezieht sich ausdrücklich auf die Art ihrer "Erschöpfung", allerdings werden ihre jeweiligen Erstgeburten in zwei verschiedenen Schöpfungsordnungen realisiert: Adam ist der Stammvater aller irdischen Menschen, er ist der Ersterschaffene auf Erden; Jesus hingegen der Stammvater aller zum ewigen Leben berufenen Menschen, er ist der Erstauferweckte im Himmel (d.h. im Paradies). Bei Adam geht es um den Stammvater der Menschen in ihrer irdischen Existenz, bei Jesus um den Stammvater der Menschheit im Bezuf auf ihre Auferweckung von den Toten und ihre Existenz im Paradies.
Beim nächsten Vergleich zwischen Adam und Jesus liegt das Schwergewicht sowohl in ihrer irdischen Realisierung als auch in ihrer Rolle in der himmlischen Welt.
d) Erniedrigung durch Ungehorsam aber Erhöhung durch demütigen Gehorsam:

Auch wenn etwas umstritten5, scheint Paulus Adam und Jesus in Philipper 2:5-11 zu vergleichen: 5 Behaltet diese innere Einstellung bei, die auch Christus Jesus hatte. 6 Obwohl er in Gottesgestalt existierte, dachte er nicht daran, etwas an sich zu reißen, was ihm nicht zustand, nämlich Gott gleich zu sein. 7 Nein, er gab vielmehr alles auf, was er hatte, nahm Sklavengestalt an und wurde Mensch 8 Mehr noch: Als er als Mensch kam, demütigte er sich und wurde gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod an einem Marterpfahl. 9 Gerade aus diesem Grund hat Gott ihn in eine übergeordnete Stellung erhöht und ihm gütigerweise den Namen gegeben, der über jedem anderen Namen ist, 10 damit jeder – ob im Himmel, auf der Erde oder unter dem Erdboden – seine Knie im Namen Jesu beugt 11 und jeder offen anerkennt, dass Jesus Christus Herr ist zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.' (Neue-Welt-Übersetzung 2018).
Der Text macht folgende Beobachtungen zum Verhältnis von Jesus und Adam: Obwohl sowohl Adam als auch Jesus in Gottesgestalt existiereten – Adam als 'Ebenbild' Gottes erschaffen und Jesus, das wird im Text nicht weiter ausgeführt, dank seiner himmlischen Präexistenz, visualisiert durch seine ausserordentliche Empfängnis (Genesis 1:27 siehe Philipper 2:6) – gehen sie sehr unterschiedlich mit dieser Ehrenposition um: Im Gegensatz zu Adam, der sich mit dieser Position nicht zufrieden gab, und sich dazu erhob, Gott gleich sein zu wollen (Genesis 3:5; TaHa 20:120: es genügt Adam nicht als Stellvertreter Gottes zu herrschen, er will sein eigenes Königsreich), gibt sich Jesus mit seiner Ebenbildlichkeit zufrieden. In Demut akzeptiert Jesus gar eine tiefere Position – ‘er gab vielmehr alles auf, was er hatte, nahm Sklavengestalt an und wurde Mensch’ –, als ihm durch seine Ebenbildlichkeit mit Gott zugestanden hätte. Jesus steigt also freiwillig hinab auf die Stufe, auf die Adam – und mit ihm die ganze Menschheit –, auf Grund von Gottes ausdrücklichem Befehl hinabsteigen musste. Gott befahl diesen Abstieg als Reaktion gegen Adams Ungehorsam gegenüber Gott im Zusammenhang mit dem Essen der Frucht des verbotenen Baumes. Was für Adam, und mit ihm die ganze Menschheit, zur unfreiwilligen Norm geworden war, wählt Jesus freiwillig. Obwohl Jesus nun wie alle Nachkommen Adams in 'Knechtsgestallt' lebt, wendet er sich auch auf dieser Stufe im Unterschied zu allen anderen Nachkommen Adams nicht in Ungehorsam gegen Gott, sondern bleibt Gott gehorsam bis zum Tod. Dafür wird er von Gott über alles erhöht und bekommt einen Namen, der über jedem anderen Namen von jeder Kreatur im Universum steht (inklusive Adam). Von nun an muss sich zur Verherrlichung Gottes jedes Geschöpf ob im Himmel, auf der Erde, oder unter der Erde, vor Jesus als Christus dem Herrn im Gehorsam beugen, so wie gemäss dem Koran damals als Adam noch bei Gott war alle Engel und selbst Satan sich seiner Autorität unterwerfen mussten (Bakara 2:34; als jüdische Grundlage für dieses Konzept siehe ‘Life of Adam and Eve’ 13:2-16:1).
Diese Stelle (Philipper 2:5-11) vergleicht Jesus mit Adam im Bezug auf ihre Zeugung als Ebenbild Gottes. Trotz gleicher Anfangsbedingungen versagt Adam in seiner Aufgabe als Ebenbild Gottes, Jesus hingegen akzeptiert in Demut sogar den gefallenen Zustand von Adams Nachkommen und ist selbst als Knecht, Gott vollkommen gehorsam. Dafür belohnt ihn Gott mit einem noch besseren Ehrenplatz als dem, den Adam mit seinem Ungehorsam für alle Menschen verloren hatte. Im vorliegenden Vergleich kommt Adam wieder die Verliererrolle zu, Jesus hingegen ist das erfolgreiche, postivie Pendant zum gescheiterten Adam. Gemäss ihrer irdischen Zeugung ähneln sich Adam und Jesus. Allerdings führen ihre jeweiligen Entscheidungen in diesem Zustand zu völlig unterschiedlichen Resultaten: Adam erhebt sich im Stolz gegen Gott, und er und seine Nachkommen werden mit dem Tod dafür bestraft. Jesus akzeptiert in Demut den gefallenen Zustand von Adams Nachkommen, lässt sich auch von Satan während seiner ganzen irdischen Existenz (bis zum Tode am Kreuz) kein einziges Mal zur Sünde verführen. Dafür wird er von Gott mit dem ewigen Leben und dem höchsten Ehrenplatz belohnt. Jedes Geschöpf der ersten Schöpfung muss sich dem Erstgeborenen der zweiten Schöpfung in Gehorsam unterwerfen. Sein Name steht über jedem anderen Namen, selbst demjenigen von Adam.
Schlussfolgerungen:
Der Vergleich von Adam und Jesus bezieht sich im Evangelium auf ihre Reaktion auf Satans Versuchung (Punkte a) und d)), ihren Gehorsam gegenüber Gottes Gebot (Punkte a), b), d)), ihre Repräsentative Rolle im Bezug auf die Menschheit (Punkte b), c)), und ihr jeweiliges Vermächtnis für die übrige Menschheit (Punkte b), c) und d)). Abgesehen vom Vergleich von ihren Reaktionen auf die Versuchung durch Satan (siehe Punkt a) und d) oben) bezieht sich der Vergleich zwischen Adam und Jesus nicht auf ihre irdische Existenz, sondern auf ihren Zustand bei Gott: Adam, der sich sogar als Ebenbild Gottes im Paradies gegen seinen Schöpfer entscheidet und damit Ungehorsam und Tod für die Menschheit erntet; Jesus, der als Belohnung für seinen Gehorsam als Gottes Knecht auf dieser Erde als Erster auferweckt und zu Gott erhöht wird, und damit zum Vorläufer und Repräsentanten aller auferweckten Menschen wird. Nie wird Jesu ausserordentliche Empfängnis mit derjenigen von Adam als solches verglichen. Selbst in Punkt d) geht es mehr um ihre unterschiedliche Reaktion auf ihre spezielle Zeugung und Jesus wird durch die Auferstehung (für alle sichtbar) auf eine höhere Stufe als sie Adam je inne hatte erhöht. Immer wenn Paulus Jesus mit Adam vergleicht (abgesehen vielleicht am Anfang von Punkt d)) geht es um Jesu Zustand in der zweiten Schöpfung, d.h. um seine Existenz nach der Auferweckung von den Toten und seiner Erhöhung zur Rechten Gottes. Der Vergleich betrifft Adams Rolle als Stammvater der ersten Schöpfung und Jesu Rolle als Stammvater der zweiten Schöpfung. Adam steht im Evangelium durchwegs als Represäntant des von Gott getrennten, sündigen, dem Tod ausgelieferten Menschen. Jesus hingegen repräsentiert den mit Gott versöhnten und von Gott zu ewigem Leben auferweckten Menschen. Adam verkörpert das Problem der Menschheit: Sünde, Ungerechtigkeit und Tod, wo hingegen Jesus im Gegensatz dazu die Lösung des Problems verkörpert: Gehorsam, Gerechtigkeit und ewiges Leben. Jesus wird in jedem Vergleich als weit erhöht über Adam präsentiert.
Die Islamische Sicht der beiden Männer, wie aus der Behandlung von Al-i Imran 3:59 durch muslimische Kommentatoren deutlich wird, wiederspricht dieser christlichen Sicht in den folgenden Punkten: (1) Wenn in der Bibel ein direkter Vergleich zwischen Adam und Jesus mit Bezug auf ihre Zeugung angestellt wird, bezieht sich dieser auf ihre jeweilige Zeugung in zwei unterschiedlichen Schöpfungsordungen: bei Adam geht es um seine irdische Erschaffung, bei Jesus um die noch zukünftige Auferstehungsexistenz des Menschen, d.h. um den Zustand des Menschen in der zweiten Schöpfung im Paradies bei Gott. Im Gegensatz dazu gehen muslimische Interpreten davon aus, dass der Koran die beiden Männer 'nur' im Bezug auf ihre jeweiligen irdischen Erzeugungen vergleicht. Jesus Empfängnis entspricht der Erschaffung von Adam. (2) Während die Bibel den Erfolg Jesu im Kontrast zum Versagen Adams feiert, wird Jesus von Muslimen als in keiner Weise erhöht gegenüber Adam erfasst. Seine Zeugung ist dann sogar nicht ganz so wunderbar wie diejenige von Adam. Darum sollte man für Jesus auch in keinem anderen Bereich (d.h. im Vergleich ihrer Naturen) Vorrang über Adam geben. Mit anderen Worten, Jesus wird Adam eher untergeordnet. Christen hingegen verstehen Jesus als in die höchst mögliche Position im Universum erhöht.
Der Vergleich zwischen Adam und Jesus bewirkt auf Grund der von ihnen akzeptierten heiligen Schriften und deren Auslegungsgeschichten bei Muslimen und Christen total unterschiedliche Reaktionen. Bei Muslimen ist sie Ausdruck der Bekämpfung einer Jesu nicht zustehenden Erhöhung seiner Person durch die Christen. Bei Christen ist sie Ausdruck der Gott gewirkten Erhöhung Christi über Adam und alle von ihm abstammenden Menschen, sowie alle anderen Geschöpfe im Kosmos. Falls die muslimische Auslegung von Al-i Imran 3:59 korrekt ist, stellt dieser Vers wirklich eine grundlegende Korrektion der christlichen Sicht dar.
Allerdings bezweifle ich, dass die Christen von Nadschra auf der Basis ihres Wissensstandes die Aussagen im Koran als Korrektur ihrer Anschauung hätten verstehen können. Vielmehr glaube ich, dass sie sich durch die Worte von Muhammed in Al-i Imran 3:59 in ihrer christlichen Überzeugung bestätigt fühlten. Doch darüber mehr im nächsten Blog.
1Alle Bibelstellen, falls nichts anderes vermerkt wird, kommen aus der Luther Übersetzung 2017 (s. ERF Bibleserver, https://www.bibleserver.com/bible/LUT)
2(i) Dtn. 8:3: '... auf dass er dir kundtäte, dass der Mensch nicht lebt vom Brot allein, sondern von allem, was aus dem Mund des Herrn geht.' (ii) Dtn 6,16: 'Ihr sollt den Herrn, euren Gott, nicht auf die Probe stellen.' (iii) Dtn 5,9: 'Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen.'
3Gemäss dem Koranischen Portrait von Adam, verhält sich Jesus also wie es von Gott für seinen Stellvertreter eigentlich vorgesehen gewesen wäre (Sad 38:72-75). Auch wenn Satan sich nicht vor Adam in Gehorsam verbeugte, bleibt ihm gegenüber Jesus in dieser Episode keine andere Wahl als den Befehl Jesu in Gehorsam auszuführen.
4Gemäss J.D Dunn gibt es zusätzlich auch Parallelen zu Adam, als Repräsentant der sündigen Menschheit in Römer 1:18-23; 3:23; 7:7-11; 8:19-22 (J.D. Dunn Christology in the Making, ss. 101-105).
5See J.D. Dunn, The Parting of the Ways Between Christianity and Judaism and their Significance for the Character of Christianity s. 254.

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