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Was ist die Hauptaussage über Jesus im Koran?

  • kesfetmekursu
  • 16. März 2023
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 5. Mai


Maria mit Jesus Christus und Johannes dem Täufer Mosaik im Museum Hagia-Sophia-Moschee im istanbuler Stadtbezirk Eminönü
Maria mit Jesus Christus und Johannes dem Täufer Mosaik im Museum Hagia-Sophia-Moschee im istanbuler Stadtbezirk Eminönü

Über Jesus gibt es einige extrem positive Aussagen im Koran, aber auch einige Warnungen. Tafsir Autoren befinden sich konstant im Spannungsfeld dieser beiden unterschiedlichen Zugängen zum Leben und Dienst Jesu. Viele Ausleger fühlen sich daher verpflichtet, jede positive Aussage sogleich mit einer Warnung aus dem Pool der negativen Aussagen über Jesus zu relativieren. Es entsteht der Eindruck, dass der Koran vorwiegend warnend über Jesus berichtet und vorwiegend die Absicht hegt, die christliche Erfassung der Person Jesus zu korrigieren.

Beim Lesen dieser Tafsir-Werke wird mir bewusst, dass diese Vorgehensweise Kommentatoren immer wieder in Konflikt mit Koranaussagen bringt und ich werde den Eindruck nicht los, dass für den Leser ‘heilsnotwendige’ Tatsachen über Jesus verschwiegen werden (siehe Liste ‘Contradictions between Quran and Tefsir’). Ich beginne mich daher zu fragen: Was ist die Absicht des Korans im Zusammenhang mit dem Portrait von Jesus? Ist die Aussage des Korans über Jesus vorwiegend positiv oder vorwiegend warnend? Um diese Frage zu beantworten suche ich eine zentrale Aussage über Jesus im Koran und werde in Al-i Imran 3:59 fündig:

Im Jahr 631 traf sich Hz. Muhammed mit arabischen Christen aus Nadschran. Ihr Gesprächsthema war Jesus Christus. Eine Zusammenfassung jenes Austausch über Christus findet sich in den ersten Versen der Al-i Imran Sure.1 Nach der Behandlung von verschiedenen Aspekten von Jesu Leben und Dienst (s. Al-i Imran 3:33-57) wird das Ende des Themas angedeutet: „Dies verlesen wir dir von den Versen und der weisen Mahnung“ (Al-i Imran 3:58). Aber zunächst wird die Bedeutung von Jesu Leben noch einmal in einem letzten Vers – sozusagen ‘dem Glaubensbekenntnis’ des Korans bezüglich Jesus – hervorgehoben und zusammengefasst:

Wahrlich, Jesus ist vor Allah gleich Adam; Er erschuf ihn aus Erde, alsdann sprach Er zu ihm: "Sei!" und da war er.’ (Al-i Imran 3:59; M.A. Rassoul).

Die Wichtigkeit der Aussage in diesem Vers wird noch hervorgehoben durch die direkt nachfolgenden Worte an Muhammed - „(Dies) ist die Wahrheit von deinem Herrn! Darum sei keiner der Zweifler“ (Al-i Imran 3:60, M.A. Rassoul) und dem anschliessenden 'Gebetsfluch': Der nächste Vers (v.61) ist bekannt als „Mubahala“-Vers. Er beschreibt das gegenseitige Flehen und Beten zu Allah um ein Zeichen, das unwiderruflich bestimmt, wer Recht hat, mit anschließender Verwünschung des Lügners:

'Und wenn nun nach (all) dem Wissen, das dir (von Allah her) zugekommen ist, (irgend) welche (Gesprächspartner) mit dir darüber streiten, dann sag: "Kommt her! Wir wollen unsere und eure Söhne, unsere und eure Frauen und uns und euch (Männer) selber (zusammen) rufen und hierauf (jede Partei für sich) einen (gemeinsamen) Eid leisten und den Fluch Allahs auf diejenigen kommen lassen, die lügen". (Dann wird sich zeigen, wer von uns im Besitz der Wahrheit ist.)' (Al-i İmran 3:61).

Mit anderen Worten, der Inhalt des 59. Verses ist so entscheidend wichtig, dass Muhammed nicht davor zurückschreckt, den Wahrheitsgehalt der Aussage mit der Exponierung seiner eigene Familie auf die Probe zu stellen. Der 59. Vers und was ihm vorausgeht (vv.33ff.) muss also absolut grundlegende Wahrheit(en) beinhalten, die wie keine andere Aussagen im Koran von Christen und Muslimen unwidersprochen akzeptiert und geglaubt werden soll(en). Es wird unsere Aufgabe sein, dieser Wahrheit auf die Spur zu kommen und zu bestimmen, ob es sich dabei um vorwiegend positive oder warnende Aussagen über Jesus handelt.


Islamisches Verständnis vom Vergleich Jesu mit Adam


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İm Zusammenhang mit Al-i Imran 3:59 gehen Islamische Ausleger davon aus, dass: (1) in diesem Vers die Erschaffung Adams mit der Geburt Jesu verglichen wird. Auf die Frage von Maria, wie sie mit einem Kind schwanger werden könne ohne von einem Mann berührt worden zu sein, antwortet ihr der Engel: ‘… Das ist Allahs Art (zu handeln). Er schafft, was er will. Wenn er eine Sache beschlossen hat, sagt er zu ihr nur: sei!, dann ist sie’ (Al-i Imran 3:47). Es sind die Worte, dass Gott nur spricht ‘sei!, und dann ist sie’, die diesen Vergleich begründet. In Al-i Imran 3:59 wird ja Jesus mit Adam verglichen, der von Gott mit eben diesen Worten erschaffen wurde: Gott sagte ‘zu ihm nur: sei!, da war er.’ Es wird also angenommen, dass der Fokus des Vergleichs dieser beiden Propheten sich auf ihre jeweilige ursprüngliche Erschaffung bezieht, die mit demselben Befehl Gottes ‘sei!’ realisiert wurde. Zudem bläst Gott in beiden Fällen Seinen eigenen Geist in Materie – im Falle von Adam blies Gott seinen Geist in zu einem Menschen geformte Erde (Sad 38:71), im Falle von Jesus blies Gott seinen Geist in Maria (Enbiya 21:91). (2) Weiter wird davon ausgegangen, dass wegen der Ähnlichkeit der Erschaffung der beiden Männer auch ihre Naturen gleich sein müssen: So wie Adam nur Mensch war trotz dem Einblasen von Gottes Geist – weder Juden noch Christen kommen zu einem anderen Schluss –, ist auch Jesus nicht mehr als ein Mensch – bei Jesus beanspruchen die Christen auf Grund seiner ausserordentlichen Empfängnis aber sehr wohl göttliche Natur. Wenn ein Unterschied zwischen den beiden Propheten bestehen würde, so schlussfolgern muslimische Kommentatoren, dann dieser, dass Adams Geburt noch wunderbarer ist als diejenige von Jesus, weil Adam weder eine Mutter noch einen Vater hatte, bei Jesus aber wenigstens eine Mutter vorhanden war. (3) Schliesslich wird gefolgert, dass Muhammed mit diesem Vers das falsche Verständnis der Christen korrigierte: Auf Grund von Beschreibungen in der Auslegungs- und Hadith-Literatur(2) wird vorausgesetzt, dass sich Muhammed und die anwesenden Christen in diesem Punkt widersprachen: die christliche Delegation, so wird argumentiert, beanspruchte auf Grund von Marias ausserordentlicher Empfängnis von Jesus Sohnschaft Gottes und leitete daraus Göttlichkeit für Jesus ab. Muhammed korrigierte diesen ʼfalschenʼ Anspruch und argumentierte mit dem Beispiel von Adam für Jesu Menschlichkeit, ganz so wie wir es auch an anderer Stelle antreffen: ʻSolcher Art ist Jesus, …Es steht Allah nicht an, sich irgendein Kind zuzulegen. Gepriesen sei er! (Darüber ist er erhaben.) Wenn er eine Sache beschlossen hat, sagt er zu ihr nur: sei!, dann ist sie. Und (Jesus sagte:) ‘Allah ist mein und euer Herr. Dienet ihm! Das ist ein gerader Weg.' (Meryem 19:34-36). (4) Der Gebetsfluch ist gemäss dieser Auslegung Muhammeds Aufforderung an seine christlichen Diskussionspartner von der Göttlichkeit Jesu Abstand zu nehmen. Muhammed und seine Familie stehen für die Nicht-Göttlichkeit von Jesus, die Christen und ihre Familien auf der anderen Seite vertreten seine Göttlichkeit. Durch den Gebetsfluch soll Gott zwischen diesen beiden Positionen urteilen. Vorher noch warnt Gott Muhammed, nicht derselben Versuchung zu erliegen wie die Christen, nämlich, Jesus wegen seiner Geburt zu vergöttlichen (Al-i İmran 3:60).

Zusammenfassend beobachten wir, dass in der Auslegungsgeschichte dieses Verses die ausserordentliche Wahrheit über Jesus als Warnung an und Korrektur der Christen erfasst wurde: Jesus wurde weder von Gott gezeugt noch ist er Gott gleich! Er wurde von Gott erschaffen genauso wie Adam, mit dem kleinen Unterschied, dass Adam weder Vater noch Mutter hatte, Jesus hingegen nur ohne Vater gezeugt, sehr wohl aber von einer Mutter empfangen und geboren wurde. Jesu Geburt ist wohl ausserordentlich, aber dann doch nicht so ausserordentlich, dass er sich von den anderen Propheten grundlegend abhebt. Immerhin wurde Prophet Adam noch eine Nuance spezieller erschaffen. Der vorliegende Vers reiht Jesus also ganz natürlich in die lange Reihe der Propheten vor und nach ihm ein. Der Durchschnittsleser geht weiter davon aus, dass der Inhalt des Verses vorwiegend für Christen gedacht ist oder allenfalls noch für Leute, die in Gefahr stehen, in Jesus mehr zu sehen als einen 'gewöhnlichen’ Propheten. Der Koran korrigiert mit diesem Vers ihre falschen überhöhten Vorstellungen von Jesus. Für orthodoxe Muslime hingegen, die Jesus ja bereits als ‘nur einer der Propheten unter vielen’ kennen, gibt es gemäss dieser Auffassung keine nennenswerte Herausforderung im Vers. Vielmehr bestätigt Al-i Imran 3:59 Muslime in ihrer korrekten Glaubensüberzeugung: dem Eingott-Glauben und Jesu Rolle als einer unter vielen Propheten, der, wie alle anderen Propheten auch, die eine allgemeingültige Offenbarung Gottes proklamierte.

Falls diese Auslegung erfasst, was der Vers aussagen will, und es sich bei diesem Vers wirklich um eine der Hauptaussagen des Korans über Jesus handelt, dann muss man folgern, dass das Zentrum der Lehre des Koran über Jesus ist, die von den Christen proklamierte Einzigartigkeit (einschliesslich der Göttlichkeit) Jesu als Lüge zu entlarven. Die Hauptbotschaft des Korans über Jesus wäre dann, weil reagierend auf die christliche Auffassung von Jesus, im Grundton negativ und korrigierend, ganz so, wie dies in vielen Kommentaren bei jeder Erwähnung Jesu im Koran herausgelesen wird.

Die Frage, die sich mir als Jesusnachfolger stellt, ist, ob diese Auslegung von Al-i Imran 3:59 der dortigen Aussage über Jesus gerecht wird, oder ob es andere Auslegungsmöglichkeiten gibt, die zu anderen Schlussfolgerungen führen könnten ….

1 Zumindest die Verse 33-63 stammen aus diesem interreligiösen Austausch (s. Sekiye Sönmez, 'Necrân'da Hıristiyanlık ve Hz. Muhammed'in Necrân Hıristiyan Din Adamlarıyla Münasebetleri', s.22, Fussnote 115 in https://dergipark.org.tr/tr/download/article-file/510838 (besucht: 16/03/2023)): 'Kaynaklarda Âl-i İmrân Suresinin kaç âyetinin Necrân Hıristiyanlarıyla ilgili olduğu hakkında farklı bilgiler bulunmaktadır. Bu çerçevede bazı kaynaklar, Surenin başından itibaren 83 âyetinin Necrân heyeti hakkında nazil olduğunu belirtmekte (İbn Kesîr, Tefsîru’l- Kur’ani’l-Azîm, I, s.343); bazıları da bu surenin farklı zamanlarda dört bölüm olarak nazil olduğunu, sadece 33-63. âyetlerin Necrân Hıristiyanlarınin Medine'ye ziyareti sırasında nazil olduğunu ifade etmekte (Ebû'l A'lâ Mevdûdî, Tefhimu'l Kur'an (Kur'an'ın Anlamı ve Tefsiri), İnsan Yayınları, İstanbul 1986, I, s.203); bir kısım kaynaklar da ise surenin başından mübâhele âyetinin sonuna kadar Hıristiyanlar hakkında nazil olduğunu belirtmektedir (H.Tahsin Emiroğlu, Esbâb-ı Nüzûl (Kur'an Âyetlerinin İniş Sebepleri ve Tefsirleri), Kuzucular Ofset, Konya 1965, c.II, s.1).'

2 z.B. Sireti İbni Hişam Cilt 2, ss. 307-309 Internet: https://archive.org/details/SiretibniHiiamCilt2/page/n307/mode/2up?q=M%C3%BCbahele (29/01/2023).


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