Konsequenzen von Jesu Abberufung für Muslime
- kesfetmekursu
- 11. Apr.
- 6 Min. Lesezeit

Unsere bisherige Diskussion der Abberufung Jesu von der Erde im Zusammenhang mit Nisa 4:156-159 hat einige wichtige Erkenntnisse gebracht: - In der Verteidigung seiner prophetischen Glaubwürdigkeit folgt Muhammad der ähnlichen Verteidigungsrede des Stephanus. Anstatt sich selbst zu verteidigen, stellt er die Messianität Jesu in den Mittelpunkt.
- In Nisa 4:156-158 werden drei jüdische Kritikpunkte am Messiasanspruch Jesu zurückgewiesen und widerlegt. Der Koran verteidigt Jesus als Messias und lehnt dazu die jüdisch-talmudische Gegenthese von der irdischen Entrückung Jesu ab.
- Nirgendwo im Koran findet sich eine Kritik an der Darstellung der Abberufung Jesu von der Erde, wie sie im Evangelium erzählt und von den Christen geglaubt wird. Die im Koran zu findende Kritik an falschen Vorstellungen über den Tod Jesu bezieht sich ausschließlich auf die jüdische Darstellung und hätte in ähnlicher Weise auch von Christen geäußert werden können.
- Das Material über die Abberufung Jesu von der Erde lässt sich am besten erklären, wenn wir es in Übereinstimmung mit dem Evangelium verstehen. Das bedeutet, dass der Koran den Tod Jesu am Kreuz, seine Auferstehung und seine Erhöhung zu Gott zu bestätigen scheint.
Konsequenzen: Nisa 4:159
Mit diesen Ergebnissen im Hinterkopf wenden wir uns nun den Konsequenzen zu, die der Koran aus der Abberufung Jesu für die Schriftbesitzer ableitet: Nisa 4:159 macht deutlich, welch außerordentliche Bedeutung die Messianität Jesu in der Offenbarungsgeschichte Gottes einnimmt: ‘Unter den Schriftbesitzern gibt es keinen, der nicht vor seinem Tod an ihn glaubt und erkennt, dass er Gottes Gesandter ist. Am Jüngsten Tag wird er als Zeuge erscheinen und die Wahrheit über sie aussagen.’ (Azhar). Die vielen Pronomen des Verses müssen zunächst richtig zugeordnet und bestimmt werden, was zu unterschiedlichen Interpretationen geführt hat: a) ‘vor seinem Tod’: Bezieht sich ‘sein’ auf Jesus oder auf die Leute der Schrift? Da Jesus bei seiner Abberufung den Tod durchlitten, und durch seine Erhöhung zu Gott bereits die zweite Schöpfung (d.h. die Auferstehung) erfahren hat (vgl. Auslegung von Al-i Imran 3:59), macht es keinen Sinn, das ‘sein‘ auf den noch ausstehenden Tod Jesu zu beziehen. Die zweite Schöpfung zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass sie ewig währt, und nicht mehr dem Tod ausgeliefert ist. Wenn alle Leute der Schrift vor Jesu Tod hätten glauben müssen, wären die Juden zur Zeit Muhammeds schon zu spät dran gewesen, denn Jesus starb fast 600 Jahre früher. Wir müssen also davon ausgehen, dass die Aussage wie in der obigen Übersetzung zu verstehen ist: Alle Leute der Schrift müssen vor ihrem eigenen Tod an Jesus als den Messias glauben. b) glaubt an ‘ihn’ oder ‘es’: Es ist nicht sofort klar, worauf sich dieses Pronomen bezieht. Da es im Kontext um die Messianität Jesu geht, ändert sich die Bedeutung nicht wesentlich, ob man an ‘ihn’, also Jesus den Messias, oder an ‘es’, also die Messianität Jesu, glaubt. In beiden Fällen geht es um den Anspruch Jesu, der Messias zu sein. Warum dieser Anspruch so wichtig ist, wird noch zu diskutieren sein.
c) ‘er’ wird Zeuge sein: Auch über die Bedeutung von ‘er’ ist, wenn auch im geringeren Ausmass, diskutiert worden. Nach den Regeln der Grammatik ist es nicht möglich, hier eine Person einzufügen, die im Text nicht erwähnt wird. Da von Jesus als dem Messias die Rede ist, muss es sich um ihn handeln.Wir verstehen den Vers also folgendermassen: ‘Unter den Schriftbesitzern gibt es keinen, der nicht vor seinem [eigenen] Tod an ihn [d.h. Jesus] glaubt und erkennt, dass er Gottes Gesandter ist. Am Jüngsten Tag wird er [d.h. Jesus] als Zeuge erscheinen und die Wahrheit über sie aussagen.’
Die Juden bezweifelten, dass Jesus ein Gesandter Gottes im Sinne von Messias sein könnte (siehe Nisa 4:157). Erstaunlich ist, dass die Messianität Jesu so wichtig ist, dass Jesus beim Jüngsten Gericht als Zeuge gegen diejenigen auftreten wird, die seine Messianität anzweifeln. Da am Jüngsten Tag nur den ‘Leuten der Schrift’ (vgl. Nisa 4:1621: ‘... die an das glauben, was (als Offenbarung) zu dir, und was (zu den Gottesmännern) vor dir herabgesandt worden ist ...’) der Eintritt in das Paradies verheißen wird und diese vor ihrem Tod an die Messianität Jesu glauben müssen, wird der Glaube an Jesus als Messias ein grundlegendes Kriterium für die Aufnahme in das Paradies sein.
Aus dem Textzusammenhang von Nisa 4:162 wird deutlich, dass die Bedeutung der anderen Propheten ausschließlich auf der von ihnen empfangenen Offenbarung beruht. Bei Jesus wird nicht nur die Annahme des Evangeliums gefordert, sondern zusätzlich der Glaube an seine Messianität. Was der Koran darunter genau versteht, wird später zu erörtern sein.
Jedenfalls ist es nach dem Koran zumindest für Juden und die Leute der Schrift heilsnotwendig, Jesus als den Messias anzunehmen.
Herausforderung für Muslime
Dass auch für Muslime ein richtiges Verständnis der Abberufung Jesu als absolut notwendig vorausgesetzt wird, folgt aus den folgenden Beobachtungen: Selbst Muhammed wird aufgefordert, nicht an der ihm von Gott offenbarten Wahrheit über Jesu Geburt, Leben, Lehre und Abberufung zu zweifeln (Al-i Imran 3:60 und 3:54-59). Sollte jemand, und das schließt auch jeden Muslim ein, mit Muhammed über diese Wahrheiten streiten, so stünde er unter dem tödlichen Fluch Gottes (Al-i Imran 3:61). Wie wir in der Diskussion von Nisa 4:156-158 gesehen haben, beweist die Geburt und die Art und Weise, wie Jesus abberufen wurde, seine Messianität. Die Kombination von Al-i Imran 3:54-61 mit Nisa 4:156-159 zeigt also, dass der Glaube an die Messianität Jesu auch für Muslime und alle anderen Menschen von grundlegender Bedeutung ist.
Nur den Nachfolgern Jesu wird die Überlegenheit über die Ungläubigen in dieser Weltzeit bis zum Endgericht verheißen (Al-i Imran 3:55). Und im Endgericht wird Gott entscheiden, worüber sie '(im Erdenleben) uneins waren' (Al-i Imran 3:55). Gläubig sein bedeutet nach der Botschaft des Korans, die Wahrheit Gottes über Jesus anzunehmen. Das schließt seine Abberufung ein. Nach unserer Diskussion dieser Abberufung bedeutet das, an den Tod Jesu am Kreuz, seine Auferstehung und seine Erhöhung zu Gott als dem Erstgeborenen in der zweiten Schöpfung zu glauben. Nach den muslimischen Kommentatoren, die ich gelesen habe, glauben die heutigen Muslime nicht daran. Damit gehören sie nicht zu den Nachfolgern Jesu. Sie sind mit ihnen (d.h. diesen Nachfolgern) ‘uneins’. Das wird im Endgericht Konsequenzen haben: ‘... Dann werdet ihr (alle) zu mir zurückkehren. Und ich werde zwischen euch entscheiden über das, worüber ihr (im irdischen Leben) uneins wart.’ (Al-i Imran 3:55).
In einem Vortrag über die Abberufung Jesu von der Erde machte A. Ataie folgende Aussage: ‘Die Frage, ob Jesus gestorben ist oder nicht, hat für Muslime keine Bedeutung, ganz im Gegensatz zu den Christen, deren Glaube auf dem Tod und der Auferstehung Christi beruht.’2 Im Lichte der Erkenntnisse, die wir über die Darstellung der Abberufung Jesu im Koran gewonnen haben, ist diese Behauptung eindeutig widerlegt. Die Art der Abberufung Jesu wird für Juden, Christen und Muslime beim Jüngsten Gericht von entscheidender Bedeutung sein.
Schlussfolgerung

Zu Beginn unserer Überlegungen haben wir uns gefragt, was die Botschaft des Korans in Bezug auf Jesus ist: Ist die Botschaft überwiegend negativ und korrigiert sie die Christen von ihrem Irrglauben? Wir können nun feststellen, dass die koranische Christologie sowohl für Christen - Jesus ist nicht der leibliche Sohn Gottes und darf nicht mit Gott gleichgesetzt werden - als auch für Muslime - die Abberufung Jesu bedeutet seinen Tod am Kreuz, seine Auferstehung und seine Erhöhung zu Gott als dem Erstgeborenen der zweiten Schöpfung - herausfordernd ist. Es ist nicht so, dass das Jesusbild im Koran nur Christen korrigiert. Heutige Muslime sind durch die koranischen Aussagen über Jesus mindestens ebenso herausgefordert. Die ausschließlich negative Darstellung Jesu bei vielen muslimischen Kommentatoren wird dem Jesusbild des Korans nicht gerecht. Muslime werden mit dieser Darstellung nicht auf das Jüngste Gericht vorbereitet, in dem ihr Verständnis von Jesus von heilsentscheidender Bedeutung sein wird.
Mit dieser wichtigen Erkenntnis wollen wir uns der Frage zuwenden, was der Koran unter der Messianität Jesu versteht.
1 ‘Aber denen von ihnen, die ein gründliches Wissen haben, und den Gläubigen, die an das glauben, was (als Offenbarung) zu dir, und was (zu den Gottesmännern) vor dir herabgesandt worden ist, und denjenigen, die das Gebet (salaat) verrichten und die Almosensteuer (zakaat) geben und an Allah und den jüngsten Tag glauben, denen (allen) werden wir (im Jenseits) gewaltigen Lohn geben.’
2 Die exakte Antwort war: ‹The thing [die Abberufung Jesu von der Erde / Kreuzigung] is not really important for us [Muslims]. It›s very important for Christians for Jesus to die, because Paul says, if Christ isn›t raised then Christianity is in vain, your faith is invalid, it›s in vain. But for us, I mean a prophet dying or not, - prophets were cut in half, prophets were tortured, right, prophets were decapitated –, it›s not so much of a big issue for us. … So I don›t think it›s just a big issue. Why is there no hadith [explaining the death of Jesus], I don›t know. I don›t know.› (Ali Ataie, The Crucifixion and the Quran – an Exegetical and Historical Inquiry into Surah 4:157-159, Zaytuna College Faculty Lecture Series in https://www.youtube.com/watch?v=09-JthSnyic (besucht: 15/12/2022)).
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